Geldmünzen und Geldscheine müssen bleiben !


„…mein Gott, Walter !“, seufzte vor Zeiten der Witzesänger Mike Krüger, augenzwinkernd, wenn seine Themenfigur „Walter“ Unsinn verzapft hatte. - Heutzutage müssen solide Währungsexperten tatsächlich leidvoll stöhnen: „… mein Gott, Peter !“

 

Denn der Würzburger Wirtschaftsweise Peter Bofinger hat sich kürzlich positiv geäußert zu der inzwischen wieder einmal verkündeten Idee, unser Münz- und Scheinegeld solle irgendwann völlig abgeschafft und der Zahlungsverkehr in der Wirtschaft dann nur mit dem, schon bisher neben dem Bargeld verwendeten, Buchgeld abgewickelt werden.

 

 

Was ist zu dieser „Idee“ vernünftigerweise zu sagen ?

 

 

Bevor wir da allerdings was „Vernünftiges“ sagen, sollte noch kurz, um Missverständnisse zu vermeiden, Übereinstimmung zu der Frage hergestellt werden, was Buchgeld ist und wie dieses Buchgeld entsteht. – Also:

 

Buchgeld entsteht,…

1)wenn ein Bargeldbesitzer, also Besitzer von Münzen oder Geldscheinen, sein Bares bei einem Institut des Geschäftsbankensystems (Bank oder Sparkasse etc.) zwecks Aufbewahrung dort einzahlt und später das Institut beauftragt, das gesamte eingezahlte Geld, das jetzt bei dem Institut im Tresor liegt, oder einen Teil davon an einen Dritten weiterzuleiten. In einem solchen Fall verbleibt das disponierte Geld im Tresor des Geschäftsbankensystems; die Geschäftsbank überträgt, „bucht“ jetzt lediglich den Besitzanspruch an der betreffenden Geldsumme von einem zum anderen Kunden um. Hier ist jetzt das umgebuchte, das sich so „bewegende“ Geld, das nur in Büchern geführte, gebuchte Geld, das Buchgeld, „Stellvertretergeld“ des sich nicht bewegenden, des liegenbleibenden Bargeldes.

 

Und ein entsprechender Geschäftsablauf, also in diesem Fall die Existenz des Buchgeldes, ist denn auch immer total vernünftig, weil nützlich. Ein Autokäufer muss den Einkaufspreis jetzt nicht erst bei seiner Bank bar abheben, dann mit einem Koffer voll Bargeld zum Autoverkäufer eilen, dort bar bezahlen; und der Autoverkäufer muss nicht wieder Bargeld in den Tresor einer Geschäftsbank einzahlen. – Oder

 

2) wenn das Geschäftsbankensystem bei der zentralen Notenbank Geld leiht, um dieses mit Gewinn weiterverleihen zu können. Dann zahlt die Notenbank nicht etwa Bargeld aus, sondern autorisiert die begünstigte Geschäftsbank, in ihre Bücher einzutragen, sie besäße nun eine bestimmte (Buch)-Geldsumme. Die Geschäftsbank verleiht dann auch Buchgeld weiter.

 

Und dieses Verfahren ist dann jedenfalls nicht direkt schädlich, aber „windig“. – Warum verleiht die Notenbank Geld, das sie ihrerseits niemandem schuldet, weil sie es nur selbst „herzustellen“ braucht ? Gemeinhin bedeutet Verleihen ja: verzichten auf eigene Ansprüche oder auf Ansprüche Dritter. Und: Warum verleiht sie nicht direkt selbst und zu eigenen Gunsten ? Warum lässt sie hier Geschäftsbanken verdienen ? Die Frage, warum das so abläuft, ist eine interessante Frage für sich, deren Beantwortung den Rahmen dieser Darstellung hier zu sehr ausdehnen würde.

 

3) wenn das Geschäftsbankensystem das ihm eigentlich nur zur Aufbewahrung anvertraute (Bar)Geld, das ihr natürlich nicht gehört, mehr oder weniger vollständig zu eigenen Gunsten - gegen Zinsen - einfach - als Buchgeld - weiterverleiht. Das System gibt nicht das Bargeld her, das bleibt im Tresor, sondern „schöpft“ und verleiht als Buchgeld. Dann „macht“ das Geschäftsbankensystem „einfach“ Geld selbst, was anderen Unternehmen - und Privaten sowieso - gesetzlich und per Strafandrohung verboten ist.

 

 

Und nun zum Für und Wider eines inzwischen angedachten, am Ende völligen Verzichts auf das Bargeld:

 

1) Man darf zunächst und spontan der Ansicht sein, ein Verzicht auf das Bargeld sei angemessen, da das bereits bisher schon existierende Buchgeld für sich ein vollwertiges und hinreichend gut funktionierendes Geld ist.

 

2) Es ist tatsächlich so, daß das Bezahlen nur mit Buchgeld die Kosten von Einzelhandelsläden reduzieren würde, da das Bargeldzählen mehr Zeit beansprucht als der Einsatz einer Checkkarte.

Die Verwendung von Checkkarte plus Geheimzahl stresst allerdings den Kunden im Einzelhandelsladen mehr als das Bargeldvorzählen und -zurücknehmen und nötigt sowohl dem Kunden als auch dem „Kassierer“ den Verzicht auf fast jede, für beide wichtige soziale Kommunikation untereinander ab. Der Kunde und der Kassierer werden noch mehr als bisher inhuman integrierter Teil der Abrechnungstechnik. Besonders dann, wenn – was zu erwarten wäre – später der Kunde die Ware selbst scanfähig aufs Laufband legen müsste, die Ware anschließend über Laufband in einen Warenkorb befördert würde, zu dem der Kunde erst Zugriff freigeschaltet bekäme, wenn er mit Checkkarte bezahlt hätte. Dann wäre der Kassierer völlig überflüssig.

 

3) Ein Geldnutzer kann zwar seine Geldtasche mit Bargeld verlieren, was für den Verzicht auf Bargeld spräche; in der Regel dürfte aber im Portemonnaie nur relativ wenig Bargeld aufbewahrt werden, wogegen ein Verlust von Kartentasche und Geheimzahl ebenso möglich ist und dann gegebenenfalls einen größeren Verlust nach sich zieht, da auf dem Konto wohl immer mehr Buchgeld lagert als Bargeld in einer Geldbörse.

Überhaupt besteht die Gefahr, daß Raubzugriffe von Internetgangstern auf Buchgeld-Konten zur gegebenen Zeit leichter - und ergiebiger sowieso – sein werden als Geschicklichkeiten von Taschendieben.

 

4) Die heute gegebene emotionale Beziehung des Menschen zum Bargeld ist das Ergebnis einer inzwischen ziemlich „festgeschriebenen“ jahrtausendealten Erfahrung des Menschen mit einem empfundenen Kulturgut Geld, dessen Verschwinden für den Menschen nicht selten psychisch ungesunde Folgen haben würde.

 

5) Es ist nicht zu bestreiten, daß der gänzliche Verzicht auf die Verwendung von Bargeld den Geschäftsbanken interessanten Nutzen bringt. Es läuft dann bedeutend mehr Geld bei ihnen durch – immerhin wird noch bis heute viel mehr mit Bargeld denn mit Buchgeld bezahlt -, und da sich die Banken dieses Mehr verständlicherweise mit Gebühren bezahlen lassen, steigen die Bankeinnahmen. Wobei die Bankkunden gegebenenfalls nur eingeschränkte Möglichkeiten haben werden, die gebührenbilligste Bank auszuwählen, da es zukünftig immer weniger entsprechende Institute gibt und die wenigen sich abzustimmen und den Markt zu monopolisieren bemüht sein werden.

 

6) Man könnte argumentieren, Bargeld werde in großem Umfang gefälscht beziehungsweise die Verhinderung von Fälschungen sei teuer; hier muss aber entgegnet werden, daß betrügerische Zugriffe auf Buchgeldkonten ebenso professionell vorgenommen werden können und dabei im Prinzip nicht schwieriger zu bewerkstelligen sind – und es dabei für die jeweiligen Bankkunden um für diese hohe Beträge geht.

 

Außerdem: 500- und 200-Euro-Scheine benötigt der Wirtschaftskreislauf nicht wirklich. Diese, für Fälscher mehr oder weniger allein interessanten Zahlungsmittel scheinen überhaupt nur zu existieren, um für windige Geschäfte zu dienen. Kleinere Stückelungen dürften relevant weniger oft gefälscht werden.

 

7) Die Herstellung von und der Umgang mit Bargeld sei teuer ?– Stimmt. Aber der sichere Nur-Umgang mit Buchgeld wird für die Kunden, die ja dann meistens kleinere Kunden mit relativ geringem Umsatz sind, verhältnismäßig und außerordentlich teuer sein. Jeder Buchgeldnutzer wird eine aufwendige sichere und mobile Ausrüstung benötigen. Er wird auch außer Haus Geld ausgeben und einnehmen können müssen ! Bisher betreiben Arme oft gar kein Konto – im engeren Sinn -; sie heben ihre Einnahmen einmal im Monat komplett bei der Bank ab.

 

8) Unstreitig ist es gegebenenfalls nützlich und gut, daß die anständige Gesellschaft einem kriminellen Buchgeldnutzer einen Gesetzesverstoß durch Prüfung der Buchgeld-Kontoauszüge nachweisen kann.

Aber: Buchgeld-Kontoauszüge können auch jedem amtlichen und privaten nur „Schnüffler“ ermöglichen, jedem Buchgeldnutzer jedes gesetzliche andere, mit Buchgeld bezahlte Geschäft nachzuweisen oder aus entsprechender Kenntnis für sich Nutzen zu ziehen.

 

Es soll hier nicht nach Effekten gehascht werden, und die anzuführenden, abschreckenden und beängstigenden Beispiele wären ja auch unzählbar. Nur allgemein sei gewarnt: Jeder diskrete Einkauf, jeder subjektiv als peinlich empfundene Besuch, Kontakt, jede entsprechende Reise fände x-zeit-lang seine, im Prinzip am Ende gegebenenfalls jedem zugängliche oder jedenfalls entsprechend gefürchtete Dokumentierung. Kontoauszüge wären da Material für jede großangelegte und kleinkarierte „Suchmaschine“. Jede vertrauliche Privatsphäre wäre öffentlich zu machen.

 

9) Wissenschaftler, Politiker, Journalisten und Wirtschaftspraktiker, die sich speziell mit der Funktionsweise des Geldes befassen und dann darüber nachdenken sollen, ob das Bargeld vielleicht abgeschafft werden könne oder gar solle, gehen gegebenenfalls folgenden Gedankengang:

 

a) Die Menschen und Unternehmen – nehmen wir hier einmal diese in Deutschland als Beispiel – sparen derzeit bemerkenswert große Geldbeträge zusammen. Sparer der Eurozone sollen mehr als sechs Billionen Euro auf die hohe Kante gelegt haben.

b) Abgesehen von den „Sportlern“, die Geld um des Sammelns Willen sammeln, und Geldbesitzern, die für zukünftige Investitionen zurücklegen, sparen die eigentlichen Sparer nicht deswegen, weil sie mit ihrem Geld nicht einkaufen möchten, sondern weil sie meinen, ihr Geld besser sicherheitshalber für eine – unsichere - spätere Zeit aufbewahren zu sollen.

c) Da die, bei Banken erzielbaren Sparzinsen nun seit Jahren sehr niedrig sind (drei Ursachen: das gegenwärtig große Angebot der Sparer, die Kreditversorgung des Kapitalmarktes durch die Zentralbank zum fast Nulltarif und eine verhältnismäßig geringe Nachfrage nach Investitionskapital, da sich Investitionen wegen der geringen Nachfrage nach Gütern, erstellt aus neuen Investitionen, nur zu gering lohnen), ist auch tendenziell die Bereitschaft der Geldbesitzer, ihr Gespartes zur Bank zu bringen, gering und rückläufig. Auch haben Geldbesitzer heutzutage die Sorge, eine Bank könne demnächst wegen Liquiditätsmangel daran gehindert sein, Kundeneinlagen kundenwunschgemäß zurückzuzahlen.

 

Geldbesitzer werden also auf mehrere Weise – tendenziell – dahingehend bestärkt, ihr Geld bei sich selbst aufzubewahren – mit der Folge, daß das Geld so dem Geldkreislauf entzogen wird. Was die Absatzkonjunktur auf dem Markt, also auch die Arbeitsplatzentwicklung negativ beeinflusst.  Man meint  nun, die hier angesprochene Geldhortung könnte man verhindern, indem man Bargeld abschafft und die Geldeigentümer zwingt, ihr Geld als Buchgeld den Geschäftsbanken anzuvertrauen. So meint man.

d) Die entsprechende Meinung übersieht allerdings, daß Buchgeld auf Girokonten auch nicht umläuft, wenn es auf dem Girokonto nur gespart, das heißt dann, gehortet wird. – Und dann wird außeracht gelassen, daß die Geldeigentümer für einen gegebenenfalls Zwangsservice der Bank auch noch Gebühren zahlen müssen, die bei einem Selbstverwahr von Bargeld nicht fällig werden würden.

e) Zwingt man Geldbesitzer, weil sie ihr Geld nicht mehr als Bargeld selbst aufbewahren können, dieses Geld den Banken über Sparverträge auszuleihen, bekommen die Sparer bei der heutigen Lage auf dem Kapitalmarkt günstigenfalls keine Zinsen, ungünstigenfalls müssen sie sogar einen sogenannten Negativzins, das sind dann eigentlich Gebühren, abtreten. - Banken haben derzeit einfach zu viel Leihkapital.

f) Ein besserer Weg wäre es, die Zentralbank leihe nicht den Banken Geld zu Nulltarif, sondern führte erforderlich viel Kaufkraft, Geld, unmittelbar, für die Dauer und zinsfrei, dem Käufermarkt zu. Auf diese Weise würde die Zentralbank nicht den Zins drücken, auf diese Weise Sparer davon abhalten, ihr Geld bei sich zu horten, und nicht zuletzt, das Wirtschaftswachstum fördern, das heißt dann, mehr Absatz ermöglichen und demzufolge mehr Investitionen sinnvoll machen.

 

10) Ja, es stimmt, ohne Bargeld gibt es weniger sogenannte Schwarzarbeit. Buchgeld-Kontoauszüge sind entsprechend überwachbar, um sogenannte Steuerhinterziehungen zu verhindern. - Aber deswegen das Bargeld abzuschaffen, ist unangemessen. Einmal, weil sowieso nicht die Belohnung jeder, quasi inoffiziellen Handreichung der Steuerpflicht unterliegen sollte; „Schwarz“arbeit ist ja keine Sünde an sich, sie ist ja Arbeit. Und zum Zweiten, weil man dann die freiwillige Bereitschaft zum Steuerzahlen auf andere Weise anstreben sollte und auch erfolgreich anstreben kann. Der Staat muss lediglich eine, den Bürgerinteressen voll entsprechende Ausgabenpolitik betreiben, also kein Geld verschwenden.

 

11) Sollte es das Bargeld einmal nicht mehr geben, werden die Menschen einerseits nostalgisch traurig zurückdenken. „Es klingelt nun kein Geld mehr in der Kasse“, so dann der Einzelhändler; „jetzt kann ich der schönen Serviererin keinen Schein mehr gönnerhaft zustecken“, bedauert der Kneipen-Macho; „den Opferstock habe ich danach abmontieren müssen“, klagt der Pfarrer. Es ist dann eben so: „Wenn das Geld im Kasten klingelt …“ ist nicht mehr. Und auch die arme Bettlerin am Straßenrand … ? Andererseits wird man sicher auch heiter und pragmatisch reagieren; Kabarettisten werden ihre, geradezu wohltuenden Späße damit machen: „Ja, als wir kein Geld mehr in der Hand hatten, um es dem anderen flach auf die Hand zu legen, mussten wir eben wieder tauschen, zum Tauschhandel der frühen Vorzeit zurückkehren. Irgendwas mussten wir uns ja schließlich gegenseitig in die Hand drücken können“.

 

Zur wahrscheinlichen praktischen Entwicklung: Die Menschen werden sich nach eventueller Abschaffung des Bargeldes zunehmend ihr eigenes Geld selbst machen. Wenn sie nicht Buchgeld überweisen können, werden sie mit kleinen selbstgefertigten Zettelchen bezahlen, mit Quittungen, die beweisen, daß man selbst Ware empfangen, aber noch keine Ware dagegen geliefert hat. Man wird zum  Beispiel einem Handwerkernachbarn Gutscheingeld aushändigen, mit dem man sich gegebenenfalls verpflichtet, dem gestressten Sohn des Handwerkers Nachhilfeunterricht zu geben.

 

Und das alles, weil.... mein Gott Peter ! 

 

 

 

 


*) Prof. Dr. Peter Bofinger

Lehrer an der Universität Würzburg -

 

Sachverständiger

bei der deutschen Bundesregierung

zur Begutachtung

der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung