Ein trauriger Witz: In Sachen Atomgefahr

 

Die endlich - nach langem Gerangel - zwischen der deutschen Bundesregierung und Vertretern der deutschen Atomindustrie geschlossene Vereinbarung über einen sogenannten Ausstieg Deutschlands aus der Atomwirtschaft war leider nur ein trauriger Witz:

 

a) Voraussetzung für die Vereinbarung war das - auf der einen Seite mehr oder weniger grundsätzliche, auf der anderen Seite immerhin wohl stillschweigende - Eingeständnis, man müsse prinzipiell auf eine Energiegewinnung aus Atomkraft verzichten, weil die bis heute entwickelten Gewinnungs- und Entsorgungstechniken unzumutbar zu gefährlich sind für die Umwelt im allgemeinen und für die Menschen im besonderen.

 

b) Wenn die Atomtechnik nun - eingestandenermaßen - tatsächlich zu gefährlich ist, dann ist sie das - logisch, ohne wenn und aber - ab sofort – Tag für Tag und von heute ab jeden Tag mehr, denn die in Betrieb befindlichen Atomeinrichtungen werden laufend älter und die Aufmerksamkeit des Bedienungspersonals ganz gewiß laufend – sagen wir - großzügiger. Außerdem wird die Menge des schließlich endgültig zu entsorgenden bedrohlichen Materials von Betriebsjahr zu Betriebsjahr größer.

 

c) Wenn die Atomtechnik – logisch gedacht – ab sofort zu gefährlich – tatsächlich zu gefährlich - ist, dann ist es unlogisch und unvernünftig, auf sie erst in dreißig bis vierzig Jahren konkret verzichten zu wollen, sondern zwingend geboten, im Prinzip sofort und alle Atomkraftwerke stillzulegen.

 

d) Wenn die Atomtechnik zu gefährlich ist, dürfen einer im Prinzip sofortigen Stillegung der zu gefährlichen Anlagen – vernünftigerweise – keine wirtschaftlichen Argumente entgegengestellt werden. Wir dürfen – zu gefährlichen - Atomstrom weder deswegen weiterhin erzeugen wollen, weil die in Betrieb befindlichen Atomanlagen bis heute noch nicht hinreichend amortisiert sind (notfalls müßten die Betreiber um unserer Sicherheit willen entschädigt werden), noch weil die Menschen als Energieverbraucher den eventuell billigeren Atomstrom heute noch nicht missen mögen.

 

e) Wenn die Atomtechnik zu gefährlich ist, dürfen wir vernünftigerweise nicht pokern: Wirtschaftliche Vorteilnahme gegen Risiko à la Tschernobyl, sondern müssen die Konsequenzen aus dem Verzicht auf diese Atomtechnik um unserer Sicherheit willen akzeptieren, müssen wir die Sicherheit gegebenenfalls zu bezahlen bereit sein – koste sie, was sie kosten muß. – Und wir können sie bezahlen; die Kosten – alle – werden immer viel zu hoch angesetzt, um die Atomenergie als unverzichtbar darstellen zu können.

 

f) Die Atomtechnik ist tatsächlich zu gefährlich. – Mag sein, daß die Anlagen aus deutscher Produktion die mit der größten Sicherheit sind, dann ist die Wahrscheinlichkeit, daß es morgen zu einem Gau kommt, relativ gering, die entsprechende Gefahr, daß es morgen zu einer Katastrophe kommt, ist aber dennoch immer absolut gegeben. Und ein Gau im dichtbesiedelten Deutschland ist immer von vornherein ein Super-Super-Gau. – Das Risiko eines Atomunfalls liegt nicht in erster Linie in seiner Wahrscheinlichkeit sondern im möglichen Umfang des möglichen Unfalls. – Und: Der gefährlichste Faktor, der die Wahrscheinlichkeit eines Atomunfalls bestimmt, ist im übrigen nicht der theoretische Sicherheitsstandart einer Anlage sondern die Zuverlässigkeit des eingesetzten Personals; und jeder Kraftwerksingenieur kann aus menschlich nachvollziehbaren Gründen an jedem Tag ab morgen einmal unzuverlässig sein.

 

g) Das Argument der Atomkraft-Verteidiger, wenn Deutschland abschalte, blieben ja die weiterhin gefährlichen Anlagen im Ausland, sticht aus drei Gründen nicht: ga) Die Atomgefahr ist eine Summe aus der Anzahl der in Betrieb befindlichen Einrichtungen. Wenn Deutschland die seinen abschaltet, ist die Gefahr nach Adam Riese geringer. gb) Wenn Deutschland seine Atom-Anlagen außer Betrieb setzt, ist die unmittelbare Gefahr für die Menschen in Nord-, West- und Süddeutschland, an der Elbe, am Rhein, in Bayern und so weiter geringer. gc) Wenn Deutschland mit – gutem – Beispiel voran geht und die deutschen Menschen immerhin offensichtlich ohne eigenen Atom-Strom zu Recht kommen, werden benachbarte Länder unserem Beispiel folgen. Die Menschen dort haben auch latent Angst vor einem Atom-Unfall und werden nicht bereit sein, als letzte neben einer "Atombombe" zu leben.

 

 

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Der Königsweg aus dem Energiedilemma

 

Die Diskussion zwischen jeweiligen Befürwortern oder Gegnern der Erzeugung von Atomenergie, Kohleenergie oder Bioenergie steht vor einem Dilemma: Alle Parteien haben irgendwie sowohl Recht als auch Unrecht.

 

Atomenergie kann zwar bis auf Weiteres reichlich erzeugt, nicht vom Ausland gedrosselt werden und verursacht keine CO2-Emissionen. Aber: Selbst die sichersten Reaktoren sind tatsächlich apokalyptisch gefährlich. Die Gefahr eines Gaus mißt sich nämlich nicht hauptsächlich an technischen Sicherheitsstandards sondern einmal an der Dimension der gegebenenfalls endzeitlichen Katastrophe, wenn sie denn eintritt, und an der menschlichen Unsicherheit des Bedienungspersonals. Zu einem Gau kommt es gegebenenfalls nicht erst dann, wenn ein Reaktor einstürzt, sondern wahrscheinlicher, wenn ein Techniker – unvorhersehbar und unvermeidbar – „einmal einen falschen Knopf drückt“. - Außerdem droht immer das Problem „Entsorgung“.

 

Kohlenergie steht zwar nicht für einen Gau, aber sie verpestet entweder die Erdatmosphäre; oder die Entgiftung ihrer Erzeugung ist so teuer, daß sie - unter aktuellen ökonomischen Rahmenbedingungen - von der Wirtschaft abgelehnt wird und letztlich beim Wähler nicht mehrheitsfähig gemacht werden kann. Außerdem fehlt ihr schon bald die Kohle.

 

Und Bioenergie ist ebenfalls nicht gefährlich und hat wegen ihrer Ungefährlichkeit und mengenmäßigen Unbegrenztheit geradezu Charme. Was ihre aktuelle Machbarkeit angeht, gilt aber für sie dasselbe wie für die Kohleenergie: Sie ist noch zu teuer.

 

Der Königsweg für heute, der ungefährlich ist, sofort begehbar und den die Menschen schon nach kurzer Zeit keinesfalls als Verlust von Lebensqualität empfinden müssen, heißt: Energie sparen ! Dieser Königsweg bietet tatsächlich heute gewaltige, entscheidende Chancen. Schon kurz nachdem dieser Weg eingeschlagen wird, benötigen wir so viel weniger Energie, daß wir auf todgefährliche Atomanlagen sofort, auf CO2 schleudernde Kohlekraftwerke immer mehr verzichten und teuere Bioenergie – weil wir weniger davon verbrauchen – immer mehr ökonomisch verkraften, d.h. bezahlen können. Hier gibt es noch ungezählte für alle Menschen realisierbare und akzeptable Möglichkeiten.

 

P.S.:  Wer sich übrigens auf die Seite der Hersteller von für die Umwelt weitgehend unbedenklichen Erzeugungsmethoden schlagen möchte, sollte dann auch niemals übersehen, daß selbst die Produzenten von Windrädern o.ä. ihr Produkt - eigentlich - ja nicht deshalb verkaufen wollen, weil sie die Umwelt schonen möchten – wenngleich ein solches Nebenergebnis für sie persönlich moralisch erleichternd wirken und als verkaufsförderndes Argument hilfreich sein mag -, sondern um damit ihr Geld und das Geld ihrer Mitarbeiter, Lieferanten und Kapitalgeber zu verdienen.